Wenig um einen Vergessenen



Gesichtet und vorgehört: drei Neuerscheinungen zu Leichhardts 200. Geburtstag.
Foto: Enzian
Lupe Gesichtet und vorgehört: drei Neuerscheinungen zu Leichhardts 200. Geburtstag. Foto: Enzian

Lausitzer Rundschau

Von Felix Johannes Enzian
 

Neues zum Australienforscher Leichhardt ist auf dem Buchmarkt kaum zu finden

Zu Jubiläen von deutschen Geistesgrößen überbieten sich die Verlage mit neuen Büchern, die bis in die kuriosesten Einzelaspekte gehen. Aktuelles Beispiel: "Wagner mit den Augen seiner Hunde betrachtet". Doch für den außerhalb der Lausitz und Australiens fast vergessenen Ludwig Leichhardt (1813 – vermutlich 1848) gilt das leider nicht.

Ein paar Lese- und Hörempfehlungen zu seinem 200. Geburtstag in diesem Jahr lassen sich trotzdem nennen.

Genaugenommen findet sich aus dem eigentlichen Leichhardt-Jahr, 2013, nur ein einziges neues Buch über ihn in den Online-Datenbanken: "Leichhardt. Lost in the Outback" von Hans Wilhelm Finger ist im Februar im kleinen australischen Verlag Rosenheim Publishing erschienen. Es dürfte sich um eine englische Übersetzung von Fingers umfangreicher, schon 1999 veröffentlichter deutscher Leichhardt-Biografie handeln, die schon wieder vergriffen ist. Der bestellte Band ist aus Australien noch nicht eingetroffen – hoffentlich geht er nicht unterwegs verschollen wie einst der Lausitzer Naturkundler in den Weiten des Fünften Kontinents.

Auch noch fast druckfrisch sind einige bereits Ende 2012 herausgekommene deutsche Titel. Ganz besonders zu empfehlen, gerade für Einsteiger in das Thema, ist das Buch "Ludwig Leichhardt: Die erste Durchquerung Australiens. Von Brisbane zum Northern Territory". Der in hübsches Leinen gebundene, reichhaltig illustrierte und informativ kommentierte Band entpuppt sich als Leichhardts Tagebuch seiner ersten Expedition 1844-45, der ersten geglückten Durchquerung Australiens von Südosten nach Norden.

Man lernt ihn darin in eigener Stimme kennen, als ernsthaften, empfindsamen, verantwortungsbewussten Herrn, und schon nach wenigen Seiten des Einlesens zieht das Tagebuch in Bann wie ein Abenteuerroman. Leichhardt schildert die Strapazen von Hitze, Hunger, Durst, Erschöpfung und Verzweiflung, Querelen mit seinen immer wieder abtrünnigen eingeborenen Expeditionsbegleitern, freundliche und unfreundliche Begegnungen mit Aborigines, darunter ein Überfall mit Speeren, bei dem ein Gefährte getötet wird, und immer wieder ehrfürchtig staunend: Naturschönheit. In diesem Buch, sachlich-nüchtern und dennoch literarisch eindringlich verfasst, lernt der Leser, was es mental heißt, eine Reise ins Unbekannte mit ungewissem Ausgang zu unternehmen. Als Leichhardt nach 15 Monaten statt der avisierten fünf sein Ziel erreichte, hielt man ihn bereits für tot.

Lektüre für Spezialisten ist der von einem Ur-Ur-Großneffen Leichhardts herausgegebene Band "Einblick in den Schriftwechsel des Australienforschers" im Wiesenburg Verlag. Er umfasst Korrespondenzen mit rund 30 Angehörigen, Freunden, Weggefährten und Forschern. Leichhardts Schwager Friedrich August Schmalfuß hält ihn mit Neuigkeiten aus Cottbus und Umgebung auf dem Laufenden. Am 1. Januar 1841 schreibt Schmalfuß: "Deinen Brief empfingen wir gestern Abend von Trebatsch und einen schönen Sylvesterabend hast Du uns dadurch bereitet, während andere Menschen sich ins neue Jahr hineintollen und saufen, ergötzen wir uns bei einem Gläschen Punsch über Deine interessanten Berichte." Anschließend geht es viel um familiäre Krankheiten, Todesfälle, Geburten und Alltagssorgen – herzlich und rührend, aber für Außenstehende eher ermüdend zu lesen. Von Alexander von Humboldt, dem ungleich berühmteren Forscherkollegen, ist aus Paris eine kurze Notiz an den damals ratsuchenden Jüngeren überliefert: "Wollen Ew. Wohlgeboren mir die Ehre erzeigen, mich morgen Dienstag, um halb zwölf Uhr mit Ihrem Besuche zu erfreuen, auf dem Institute."

Von seiner sehr persönlichen Seite zeigt sich Leichhardt in den Briefen an seinen engsten Freund und Mäzen seiner Australien-Überfahrt, den Engländer William Nicholson. Ihm schüttet er sein Herz aus, bekennt Selbstzweifel, Schüchternheit und Einsamkeit.

Eine sehr subjektive, dessen Biografie fiktiv fortschreibende Auseinandersetzung mit Leichhardt bietet Kai-Uwe-Kohlschmidts Hörspiel "Ludwig Leichhardt. Wanderer zwischen den Welten". Das Werk des Lausitzer Musikers wurde vor einigen Jahren für den rbb produziert und ist nun auf CD erhältlich. Es bringt in einer surrealistischen Dialog- und Klangcollage Leichhardts dritte, mit seinem spurlosen Verschwinden endende Expedition von 1848, eine Wüstenreise Kohlschmidts auf seinen Spuren, sorbische Sagen und den bald nach Leichhardts Pionierzügen einsetzenden australischen Goldrausch zusammen. Das Stück verbindet den Versuch eines Leichhardt-Psychogramms ("Was wollte er eigentlich hier?") mit Gesellschaftskritik der Ausbeutung Australiens. Es hat letztlich wohl mehr mit postsozialistischer Sinnsuche zu tun als mit dem 19. Jahrhundert, dürfte eher Freunde experimenteller Hörspiele begeistern als Leichhardt-Puristen.

Ludwig Leichhardt: "Die erste Durchquerung Australiens. Von Brisbane zum Northern Territory." Marixverlag, Wiesbaden. 246 S., geb., 24 Euro.

Ludwig R. H. Leichhardt (Hrsg.): "Ludwig Leichhardt – Einblick in den Schriftwechsel des Australienforschers". Wiesenburg Verlag, 457 S., br. 24,90 Euro. Kai-Uwe Kohlschmidt: "Ludwig Leichhardt. Wanderer zwischen den Welten." Major Label, Audio-CD, 10,49 Euro.