Der Cottbuser Professor für Technikgeschichte, Günter Bayerl, gibt für das aktuelle Leichhardt-Jubiläumsjahr ein klares Ziel vor: "Nach 2013 muss sich deutlich von vor 2013 unterscheiden – Leichhardt sollte dann seiner Leistung gemäß in den Geschichtsbüchern auftauchen!" In seinem Aufsatz "Der Unbekannte? – Ludwig Leichhardt in der Geschichtswissenschaft" sucht Bayerl nach Ursachen für die "unbefriedigende Leichhardt-Rezeption". In vielen Büchern über Entdeckungsreisen seien dem Lausitzer, der bei seiner dritten Australien-Expedition verschollen ging, zwar Kapitel gewidmet. Doch in allgemeinen Geschichtslexika nehme der Platz, der ihm gewidmet werde – wenn überhaupt –, seit dem 19. Jahrhundert zunehmend ab. Insofern, könnte man den Professor kommentieren, ist es zu begrüßen, dass die Ära des dicken Brockhauses zuende geht. Im Internet lässt sich mit wenigen Mausklicks eine Fülle von Informationen über Leichhardt finden. Suchmaschinen und Wikipedia sei Dank.

Das geringere Interesse an ihm in der gedruckten Literatur kann Günter Bayerl mit einigen schlüssigen Vermutungen begründen.

Leichhardts Forschungsgebiet Australien habe schon seinerzeit nicht im Mittelpunkt deutscher Interessen gestanden. Außerdem sei der aus recht einfachen Verhältnissen stammende und finanziell selbst mittellose Lausitzer in der Wissenschaft trotz seiner Verdienste ein eher schlecht vernetzter Außenseiter geblieben. Wie von der australischen Historikerin Roslyn Russell zu erfahren ist, hat es selbst auf dem fünften Kontinent lange gedauert, bis dem großen Entdecker dort entsprechende Würdigungen zuteil wurden. Schuld an dieser Verzögerung seien wohl negative Äußerungen von Expeditionsgefährten über ihn gewesen.

Doch selbst brandenburgische und Lausitzer Publikationen zur regionalen Kultur und Geschichte ließen Leichhardt oft links liegen, bemängelt Günter Bayerl. Der Lehrstuhlinhaber an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg führt dies auf die kulturelle Spaltung in Niederlausitz und sächsische Oberlausitz zurück sowie auf ein gewisses Desinteresse an der Niederlausitz aus Potsdamer Sicht. Dagegen werde in Cottbus überraschend intensiv für und mit Leichhardt geworben.

Neben Günter Bayerls grundsätzlichen Bemerkungen über den leider eher schwachen Nachruhm eines der wichtigsten Aus tralienpioniere und Naturforscher des 19. Jahrhunderts enthält der Symposiumsband "Ludwig Leichhardt (1813-1848), die Niederlausitz und Australien" (Waxmann Verlag, 29,95 Euro) interessante speziellere Studien. Unter anderem behandeln sie seine ethnografischen Beobachtungen über Aborigines, den Torfstich von Leichhardts Vater, biografische Zeugnisse aus Cottbus und den Zugang zu Leichhardt-Schriften in deutschen Bibliotheken. Zu den Autoren des Symposiumbandes gehören auch die langjährigen Lausitzer Leichhardt-Interessierten Rolf Striegler, Steffen Krestin, Bernd Boschan und Bernd Marx.

Aus dem Kreise der engeren "Leichhardt-Community" (Günter Bayerl) gibt es außerdem weitere Publikationen zu vermelden. Wie der Naturwissenschaftliche Verein der Niederlausitz (NVN) in Cottbus mitteilte, befasst sich dessen aktuelles Heft 30/2013 aus der Reihe "Natur und Landschaft" unter anderem mit dem Kaffeekahn, mit dem Leichhardts Vater Handel betrieb. Das Folgeheft soll ebenfalls einen Betrag über den Naturforscher enthalten (erhältlich für je zehn Euro beim Verein). Darüber hinaus kündigt der NVN die Buchvorstellung des Historienthrillers "Wo ist Dr. Ludwig Leichhardt?" von Klaus Kilian an. Sie werde am 24. September im Cottbuser Ludwig-Leichhardt-Haus in der Sielower Str. 11 um 18 Uhr stattfinden. Beim Verein und in der Cottbuser Buchhandlung Hugendubel ist außerdem "Ludwig Leichhardts Tagebuch von seiner Reise nach Neapel 1840/41", transkribiert und verlegt von Rolf Striegler, zu erwerben (20 Euro).

Wenngleich Günter Bayerl befürchtet, dass es "kaum gelingen wird, den Namen Leichhardt auch in Deutschland und Europa so bekannt zu machen wie in Australien", sind also durchaus Zeichen einer Entdeckung oder Wiederentdeckung des Lausitzers zu bemerken. Das zeigen neben dem BTU-Symposium auch weitere Arbeiten von Nachwuchswissenschaftlern an deutschen Universitäten.

 

Leichhardt-Vortrag: Im Besucherzentrum auf dem Gutshof Branitz gibt es am Donnerstag um 19 Uhr einen Vortrag zu Ludwig Leichhardt. Rolf Striegler spricht über die neunmonatige Reise Leichhardts 1840-41 durch Frankreich, Italien und die Schweiz, die er als Generalprobe für seine in Australien geplanten Entdeckungsreisen gemeinsam mit seinem englischen Freund William Nicholson unternommen hat. Grundlage des Vortrags ist das Tagebuch das Leichhardt während seiner Reise führte (Eintritt drei Euro).