Es vergeht fast kein Tag ohne Schreiben

Trebatsch (MOZ) Er hat über seine Ehe geschrieben, über seinen ersten Hund namens "Taps", über den Australienforscher Ludwig Leichhardt, aber vor allem über seinen Heimatort Trebatsch. Lothar Gosche schreibt über Dinge, die ihn berühren. "Ich muss das spüren", sagt er. Fiktion liegt ihm nicht, viel mehr entstehen seine Geschichten anhand von Fakten und Wahrheiten, so wie sie ihm erzählt wurden oder er sie selbst erlebt hat.

Alles begann damit, dass er 1994 anfing, aktuelle Ereignisse aus Trebatsch aufzuschreiben. Um Einzelheiten aus der Vergangenheit zu erfahren, rief er ein Treffen mit den Älteren des Ortes ins Leben. "Das gibt es immer noch. Einmal im Monat kommen wir zusammen", erzählt der 79-Jährige, dessen Geburtstag am Donnerstag bevorsteht. Anhand von Erfahrungsberichten decken sie "Das Sawaller Rätsel" auf, ein Thema, womit sich Lothar Gosche auch in seinem gleichnamigen Buch beschäftigt. Es handelt von der Entstehung des Schwielochsees. Dem Trebatscher liegt viel an seiner Heimat. In fast jedem seiner 18 selbst verfassten Bücher spielt der Ort an der Spree eine Rolle. Und das obwohl er 30 Jahre lang von seiner Heimat getrennt war.

Nach der Schule verlässt er den kleinen Bauernhof seiner Familie, auf den er erst 1980 wieder zurückkehren sollte. Er wird zum Offizier der Luftstreitkräfte ausgebildet, absolviert ein Studium der Gesellschaftswissenschaften an der Karl-Marx-Universität Leipzig und der Humboldt-Universität zu Berlin. Als Hochschullehrer der Philosophie ist er an der Militärhochschule der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung in Kamenz jahrelang tätig. Bis zu jenem Tag, als er unerwartet einen Befehl bekam: "Wir sollten uns auf dem Flugplatz mit einem kleinen Marschgepäck einfinden." Was dann geschieht, beschreibt Lothar Gosche als einen der aufregendsten Momente seines Lebens. Er wird einberufen, sich in den 1970er-Jahren an den Vorbereitungen für die Kosmonautenanwärter der DDR, darunter Sigmund Jähn, zu beteiligen. "Wir haben die Männer auf ihre weitere Ausbildung in der Sowjetunion vorbereitet", erklärt der Trebatscher. Lothar Gosche kümmerte sich um die psychologischen und philosophischen Probleme der Anwärter. Rückblickend beschreibt der Vater zweier Söhne diese Zeit als sehr anstrengend, wenn auch interessant. Ab 1980 ist er dann am Institut für Zivilverteidigung in Beeskow tätig.

Die Rückkehr auf den Hof seiner Eltern lassen ihn und seine Frau Hannelore nicht lange zögern. Ein Hund muss her, sind sich die beiden einig. "In Zweieinhalbzimmerwohnungen war das zuvor nicht möglich", sagt Lothar Gosche, der bis dahin zehn Mal umziehen musste. Zu seinen Füßen liegt heute sein Teckel, der einzige seiner drei Hunde, der auch ins Wohnzimmer darf. Die beiden Wolfspitze tollen lieber draußen unter dem Nussbaum herum. Über seinen ersten Wolfspitz "Taps" hat Lothar Gosche sogar ein Buch geschrieben. Es war eines der Ersten, das er dank eines Zufalls als Buch verlegen konnte. Ausschlaggebend war ein Kontakt mit einer ehemaligen Buchhändlerin, die sein Sohn Andreas kannte, der seit 18 Jahren in Indonesien lebt. Sie zeigte sich von Lothar Gosches Arbeit so begeistert, dass seitdem seine Bücher in Indonesien gedruckt werden.

Mit ihrer Unterstützung konnten auch die Recherchen über Ludwig Leichhardt und die Kalenderblätter von Trebatsch in Buchformat gebracht werden. Derzeit arbeitet der Rentner an einem neuen Werk über den Australienforscher. Es soll den Titel "Überraschende Wendungen" tragen und erzählt von Anekdoten über Ludwig Leichhardt. "Es vergeht fast kein Tag ohne Schreiben", sagt Lothar Gosche, der froh darüber ist, dass ihm seit dem Mauerfall keiner mehr davon abhält. Denn während seiner Armee-Zeit konnte er nicht schreiben. "Es war aus Gründen der Geheimhaltung verboten, Tagebücher zu verfassen", erzählt er.

Mit der Wende kommt Lothar Gosche auch mit der Ludwig-Leichhardt-Gesellschaft in Berührung. "Das war wie eine neue Heimat für mich", sagt der Autor. Es war die Zeit, als Lothar Gosche eine neue Beschäftigung suchte, da er arbeitslos war, und die ihm Jahre später viel Anerkennung einbrachte. So wurde er beispielsweise vom Finanzministerium gebeten, eine gemeinsame Sonderbriefmarke Australien-BRD anlässlich des 200.Geburtstag des Forschers zu schaffen. Ein Grund, warum er zur Vorstellung der Briefmarke wie auch einer Sondermünze in die australische Botschaft nach Berlin eingeladen wurde. Durchsetzen konnte sich sein Vorschlag am Ende jedoch leider nicht.

Seinem Interesse an Ludwig-Leichhardts Leben tat das jedoch keinen Abbruch. Er und sein Sohn Andreas reisen 1998 gemeinsam nach Australien. "Ich wollte mal wissen, wer auf der Straße Leichhardts Namen kennt." Im Bundesstaat Queensland macht er sich auf die Suche und begegnet Australiern am Gartenzaun, die ihm verschiedene Mythen über den Forscher erzählen. Diese entsprachen zwar nicht immer den Tatsachen, waren jedoch für Lothar Gosche ein Indiz dafür, dass Leichhardt kein Unbekannter in Down Under war. In Erinnerung geblieben ist ihm vor allem ein Erlebnis in der Stadt Cairns, wo er ein Schild mit dem Namen Leichardts an einem Haus entdeckte. Dahinter verbarg sich das Büro des Abgeordneten des Leichhardt Districts im Parlament in Canberra - Warren Entsch. "Die Geschäftsführerin hatte Tränen in den Augen, als sie hörte, dass wir aus jenem Ort kommen, wo Leichhardt herstammte", erzählt Gosche berührt.

Und so wie Leichhardt seine Spuren auf dem Kontinent hinterließ, tat es auch Lothar Gosche. In der größten Bibliothek Australiens in Sydney stehen auch Bücher von ihm.