Ein Brillenkänguruh namens Leichhardt

Teile von Brillenkänguruh und Sägerochen in einer aktuellen Ausstellung im Branitzer Marstall, die nach ihrem Entdecker Ludwig Leichhardt benannt sind.
Foto: Enzian/fen1
Lupe Teile von Brillenkänguruh und Sägerochen in einer aktuellen Ausstellung im Branitzer Marstall, die nach ihrem Entdecker Ludwig Leichhardt benannt sind. Foto: Enzian/fen1

Lausitzer Rundschau

Von Felix Johannes Enzian

 

Wissenschaftler entmystifizieren und würdigen den Lausitzer Australienforscher in Branitz

COTTBUS Rund 20 wissenschaftliche Leichhardt-Enthusiasten aus Australien und Deutschland haben sich am Wochenende zum Symposium "1001 Leichhardts" in Branitz getroffen. Die Zeiten, in denen der Lausitzer Naturforscher kritiklos als "Prinz der Entdecker" gefeiert wurde, sind allerdings vorbei. Aus heutiger Sicht gilt er auch als "hilfloser Imperialist", der sich an der kolonialistischen Ausbeutung Australiens beteiligte. Ludwig Leichhardt war als Forscher ein Multitalent: Geologe, Geograf, Botaniker, Zoologe und Ethnologe. Auf seinen Expeditionen durch das Australien des mittleren 19. Jahrhunderts erkundete er Bodenschätze, Flüsse, Gebirge, die Tier- und Pflanzenwelt sowie das Leben der Ureinwohner.

Auf dem Branitzer Symposium – bereits der zweiten Tagung, die zu seinem 200. Geburtstag in diesem Jahr in Cottbus stattfindet, – beschäftigte sich allerdings nur die Minderheit der Vorträge mit dem naturwissenschaftlichen Erbe Ludwig Leichhardts. Veranstaltet von Literaturwissenschaftlern der Universität Potsdam umkreisten die meisten Analysen sein Nachleben als mythische Figur in der Kulturgeschichte. Da ging es zum Beispiel um seine Darstellung in australischen Schulbüchern und in der fiktionalen Unterhaltsliteratur, etwa in Patrick Whites Roman "Voss", der am 22. Oktober in einer Opernfassung des Staatstheaters im Cottbuser Weltspiegel gezeigt wird.

In den kulturellen Wissenschaften wird die typische Heldenverehrung, die europäischen Entdeckern und Abenteurern der Kolonialzeit lange Zeit entgegengebracht wurde, inzwischen mit großem kritischen Interesse hinterfragt. Wie Katrina Schlunke von der University of Technology Sydney zeigte, sah die Nachwelt im 1848 verschollenen Leichhardt einerseits den noblen, aufgeklärten "Gentleman des Outback", den "Prinzen der Entdecker", andererseits einen fanatischen, verrückten Wissenschaftler. In der nachkolonialen Literatur tendiert sein schon immer schillerndes Image eher zum "hilflosen Imperialisten", erläuterte Therese-Marie Meyer von der Universität Halle.

Kylie Crane von der Universität Mainz beschäftigte sich mit Leichhardts Kontaktaufnahme mit der fremden australischen Kultur am Beispiel seiner Ernährung und stellte fest, dass er sich auf europäisches Essen (Mehl) konzentrierte und somit den Austausch stark verweigerte. Lars Eckstein von der Universität Potsdam nahm sein ambivalentes Verhältnis zur indigenen Bevölkerung in den Blick.

Lobend gewürdigt wurden die Verdienste Ludwig Leichhardts aber durchaus auch. Hilary Howes von der australischen Botschaft in Berlin, Tom Darragh, emeritierter Kurator des Museums Victoria in Melbourne, und die Potsdamer Doktorandin Yvonne Maaß (in Abwesenheit vertreten durch Helen Thein) erläuterten die Bedeutung von Leichardts naturkundlichen Sammlungen. Seine mehrere Tausend Proben von australischen Pflanzen und Tieren sind in Museen der ganzen Welt verstreut. Da Leichhardt sie auch mit den Namen aus drei Sprachen der Ureinwohner bezeichnete, stellen sie nebenbei hervorragendes Forschungsmaterial für historische Sprachforscher dar.

Die Tagungsausrichter Anja Schwarz, Helmut Peitsch und Lars Eckstein bezeichneten Ludwig Leichhardt als "Schlüsselfigur der deutsch-australischen Kolonialgeschichte". Der Name des Symposions "1001 Leichhardts" drücke sein vielgesichtiges kulturelles Nachleben aus.

 

 
 
 

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